Ausgst'eckt is!

Der Heurigen

-ein wichtiger Bestandteil österreichischer Kultur!

Heuriger, ist ursprünglich die Bezeichnung für den Wein der letzten Fechsung (Weinlese, Ernte) und im weiteren Sinn das Produzentenlokal, in dem er ausgeschenkt wird (Buschenschank). Lostag ist Martini (11. November), an dem seit alters der vorjährige Wein zum "alten" und die frisch gekelterte Fechsung zum "Heurigen" wird.

Vorläufer von Weinschenken in Wien finden sich bereits im Mittelalter in den Lucken vor der Ringmauer. Weinbau wurde bis unmittelbar vor die Stadtmauern betrieben (Laimgrube, Rennweg, Alsergrund usw.). Viele Bürger besaßen Weingärten außerhalb der Stadt, deren Erträge sie (gegen Entrichtung einer Tormaut) in diese einbringen, in ihren (oft mehrstöckigen) Hauskellern lagern und in Trinkstuben ausschenken durften; auch in einigen Klosterhöfen entstanden Weinkeller mit Ausschank (die seit Rudolf IV. eingehobene Getränkesteuer hieß Ungeld).

Der "Heurige" im heutigen Sinn geht auf eine Verordnung Josephs II. vom 17. August 1784 zurück, die es den Weinhauern erlaubte, Wein und Obstmost auszuschenken bzw. selbst erzeugte Lebensmittel (etwa Nüsse) zu verkaufen. Das Gasthaus "Zum weißen Ochsen" (Neulerchenfeld) inserierte schon 1784 in der Wiener Zeitung "heurigen Wein". Das Aufkommen von preislich erschwinglichen Verkehrsmitteln ermöglichte es der städtischen Bevölkerung ab dem Vormärz, auch vor dem Linienwall gelegene Vororte aufzusuchen, in denen sich daraufhin die Heurigen und Wirtshäuser rasch vermehrten; das in der Biedermeierzeit aufkommende Naturbewusstsein trug zusätzlich zur Belebung des Geschäfts bei.

Die Heurigenfahrten kamen in Schwung. Franz Schubert und sein Freundeskreis, Ludwig van Beethoven, Ferdinand Sauter und viele andere gehörten zu regelmäßigen Besuchern; von Franz Grillparzer wissen wir, dass er 1824 den deutschen Philosophen Hegel zum Heurigen nach Nußdorf führte. Als ab 1829 am Linienwall die Verzehrungssteuer eingehoben wurde und man daher außerhalb desselben billiger lebte, war dies ein weiterer Anreiz, Lokale in den Vororten aufzusuchen; insbesondere Neulerchenfeld und die an den Abhängen des Kahlengebirges liegenden Ortschaften (Grinzing, Sievering, Nußdorf, Klosterneuburg, Salmannsdorf, Neustift am Walde), aber auch Dornbach und Ottakring waren stark frequentiert.

Die Eröffnung der Stadtbahn und der Ausbau der elektrischen Straßenbahn führten durch die Verbesserung der Verkehrsbedingungen zu einem Aufblühen der Heurigenschenken in den äußeren Bezirken. Die Aufmachung war einheitlich (Kennzeichnung durch den Reisigbuschen an der Stange über dem Hoftor, rustikale Einrichtung, ungedeckte Tische, Mitbringen des kalten Imbisses durch die Gäste); Stimmungsmusik (Schrammeln) wurde sehr populär, manchenorts gehörte sie geradezu verpflichtend dazu. Allmählich entwickelten sich ganze Heurigenschenkerdynastien (unter anderem die Familie Mandl in Ottakring und Hernals, ab 1807 die Familie Grünbeck und ab 1871 Johann Weigl in Hernals). 1834 erregte es Aufsehen, dass ein nicht "Hausgesessener", nämlich Johann Gschwandtner, eine Buschenschank eröffnete. Um 1840 wurde von Hernals aus durch den Gruber-Franzl eine Reorganisierung des Heurigenlebens in die Wege geleitet; er trat vor allem beim Gschwandtner auf, spielte selbst Geige, Flöte und besonders Klarinette und ließ sich von Harmonika- und Gitarrespielern begleiten. Die Gruppe ist als Vorläuferin der Schrammeln (Stahlener) anzusehen. Manches Lied der Volkssänger erklang beim Heurigen zum ersten Mal und wurde dann in ganz Wien gesungen.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die dem Weinbau gewidmete Bodenfläche in der Stadtregion mit rund 1.200 Hektar ihre größte Ausdehnung (sie reicht von Stammersdorf und Strebersdorf jenseits der Donau zum Kahlenberg und südwestlich bis Ober-St.-Veit und Mauer). Der Buschenschank unterliegt nicht der Gewerbeordnung, wird jedoch in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt (Buschenschankgesetz). In der Zwischenkriegszeit entdeckte man Grinzing für den neuen Tonfilm. Fast in jedem der damals beliebten "Wiener Filme" kamen echte oder gestellte "Heurigenszenen", vor allem mit Hans Moser und Paul Hörbiger, aber auch mit zahlreichen anderen Schauspielern, vor. Seit der Verordnung vom 26. August 1939 sind Heurigenbuffets gestattet, bei denen auch nicht selbst erzeugte kalte Lebensmittel angeboten werden dürfen; warme Speisen bedürfen einer besonderen Konzession.

(quelle:wien.at)

 

Quellen

Der Weinschank im alten Wien. In: Hans Pemmer: Schriften zur Heimatkunde Wiens. Festgabe zum 80. Geburtstag. Für die "Arbeitsgemeinschaft der Wiener Heimatmuseen" hrsg. v. Hubert Kaut u. Ludwig Sackmauer. Wien [u.a.]: Verlg. f. Jugend & Volk 1969 (Wiener Schriften, 29), S. 93-114

Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 338

Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. Wien [u.a.]: Neff 1972, S. 84 f., 145f.

Bartel F. Sinhuber: Das große Buch vom Wiener Heurigen. Wien: Orac / Stuttgart: Pietsch 1980

Leopold Schmidt: Wiener Volkskunde. Ein Aufriß. Hg. vom Verein f. Volkskunde in Wien. Wien [u.a.]: Gerlach & Wiedling 1940 (Wiener Zeitschrift für Volkskunde, Erg.Bd. 16), S. 87